Paradiese der ERinnerung - Die Europäische Route der Historischen Gärten

Wer sehnt sich nach dem langen Winter und gerade in diesem Jahr nicht nach Sonnenstrahlen und einem Spaziergang durch Wälder, Parks und blühende Gärten? Garten- und Parkanlagen mit verschwiegenen Pfaden, mit plätschernden Brunnen, bunten blühenden Blumen, exotischen tiefgrünen Pflanzen und alten Bäumen. Und vielleicht noch hoch über dem blauen Meer im strahlenden Sonnenschein.

Genau solch ein Garten ist der Garten von Santa Clotilde in Lloret de Mar. Hier entstand im Jahr 2016 die Idee zu einer Route der historischen Gärten quer durch Europa. Am 28. Oktober 2020 wurde diese länderübergreifende historische Gartenroute offiziell vom Europarat in die Europäischen Kulturrouten aufgenommen. Der Europäischen Route der Historischen Gärten gehören heute 18 öffentliche und private sowie sechs akademische und fachliche Institutionen an, die insgesamt 34 Gärten und Parks in Europa vereinen. Gerade in der jetzigen Zeit stellen diese herrlichen Anlagen in der freien Natur eine willkommene Freizeitalternative dar.

Dabei zählt beim Besuch dieser Garten- und Parkanlagen nicht nur die herrlich gestaltete Landschaft, sondern insbesondere auch ihr bedeutendes kulturhistorisches Erbe. Europaweit gehören mittlerweile zu der Vereinigung zwei Park- bzw. Gartenanlagen in Deutschland, drei in Georgien, fünf in Italien, vier in Polen, 15 Anlagen in Portugal und fünf Gärten bzw. Parkanlagen in Spanien, die wir im Folgenden vorstellen.

Die offizielle Charta von Florenz aus dem Jahr 1981 versteht unter einem historischen Garten: "ein Zusammenspiel aus Architektur und Pflanzen, das hinsichtlich seiner Geschichte oder Kunst ein öffentliches Interesse darstellt. Als solcher gilt er als Denkmal. Der historische Garten ist ein architektonisches Werk, das vor allem aus Pflanzen besteht, daher lebendig und folglich verderblich und erneuerbar ist. Sein Aussehen spiegelt somit das beständige Gleichgewicht zwischen dem Zyklus der Jahreszeiten, dem Wachstum und der Vergänglichkeit der Natur und dem Wunsch des Künstlers und Handwerkers wider, ihn dauerhaft unverändert zu lassen. "

Der Ursprung der Gärten geht historisch meist zurück auf eine private Initiative von Seiten des Adels oder gehobenen Bürgertums. Im Verlauf der Zeit wurden diese Gärten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und gingen größtenteils in öffentlichen Besitz über. Viele von ihnen widmen sich heute erzieherischen Maßnahmen und stellen Veranstaltungsorte für Konzerte oder Festivals dar.

Die Gärten von Santa Clotilde

Hoch über dem Ferienort Lloret de Mar liegt auf einer Klippe zwischen der Boadella Bucht und dem Strand von Fenals ein stilles Paradies aus efeubewachsenen Treppen, Marmorstatuen, plätschernden Springbrunnen, kunstvollen Hecken, schlanken Zypressen und duftenden Kiefern.

Dort, wo sich heute die Gärten von Santa Clotilde über dem Meer und den herrlichen Buchten der Costa Brava befinden, erstreckten sich einst die Weinberge von Clotilde Rocamora, einer jungen Frau aus Barcelona, die sich 1917 an der Costa Brava niedergelassen hatte. Der Marques von Roviralta, ein Liebhaber der italienischen Renaissance-Gärten, verliebte sich in sie und erwarb einen Teil der Weingärten für sein Projekt einer Gartenanlage. Die Gestaltung übergab er dem katalanischen Architekten Nicolás María Rubio i Tudurí, der 1919 mit den Arbeiten begann.

Clotilde selbst starb 1927 und erlebte die gesamte Fertigstellung der wunderbaren Anlagen, die heute ihren Namen tragen, nicht mehr. Bis 1997 waren die Gärten, die sich an den Hängen der steilen Küste erstrecken, im Besitz des Marques, ehe die Stadtverwaltung von Lloret sie erwarb. 1994 wurden die Gärten von Santa Clotilde mit ihren grünen Alleen, einem See und den charakteristischen Treppenanlagen, die von steinernen Nixen geziert werden, von der katalanischen Regierung zum nationalen Kulturgut erklärt.

Der Samà Park von Cambrils

Von der Costa Brava zieht es uns weiter entlang der Mittelmeerküste nach Cambrils an die langen goldenen Sandstrände der Costa Dorada. Zwischen Cambrils und Montbrió befindet sich inmitten von Mandelbäumen, Olivenhainen und Weinbergen mit dem Samà Parc und seinem romantischen Palast das ehemalige „Reich der Erinnerungen“ des Amerikaheimkehrers Salvador Samà i Torrents, des Markgrafen von Marianao.

Romantische Brücken über einem jadegrünen See und Kanälen, mächtige Palmen, verschlungene Pfade und geheimnisvolle Grotten, moosbewachsene Brunnen und dichter Wald. Ein Stück Kuba, ein Stück klassizistisches Frankreich, ein wenig der Romantik Englands, die Stille Asiens, die Antike Griechenlands, Elemente des Jugendstils und ein Märchenpalast mit zahlreichen Stilrichtungen vom Mittelalter bis Barock, alles das vereint der 1881 zur Realität gewordene Traum des Markgrafen im Samà Park nur wenige Kilometer im Hinterland der Küste.

Der Landschaftsarchitekt Josep Fontsere i Mestre vereinte hier in Zusammenarbeit mit Antoni Gaudí in diesem, vielen Spanienreisenden unbekannten Park Natur und Modernismus in Form von Grotten, Bänken und Wegen, die wie Teile von Felsen, Muscheln oder Zweigen wirken. Die spitzen Dächer des einstigen Altersruhesitzes des Markgrafen ragen zwischen mächtigen Palmen und Rosskastanien hervor. Platanen, Mandarinenbäume und Eichen umgeben die Hauptpromenade. Ein 24 Meter hoher, auf einem Felsen erbauter Aussichtsturm bietet eine herrliche Rundsicht auf den Park, dessen Herzstück ein jadegrüner glitzernder See ist, der einen von verspielten Brücken überquerten Kanal speist.

Die herrlichen Gartenanlagen sind unterteilt in einen französischen Garten, einen romantischen und einen poetischen Garten. Die griechische Antike wird repräsentiert durch die Marmorskulpturen von Herakles und Demeter, der griechischen Gottheit der Fruchtbarkeit. Von der Zypressengrotte schließlich gelangen Besucher in den bewaldeten Teil dieses großartigen Parks, den kein Costa Dorada-Besucher verpassen sollte.

Eingang zur Tramuntana - Die Finca Raixa auf Mallorca

Aus dem „Reich der Erinnerungen“ des Markgrafen von Marianao machen wir einen Sprung über das Mittelmeer nach Mallorca, wo mit der Finca Raixa die dritte der zum Netz der Europäischen Historischen Gärten gehörende spanische Gartenanlage wartet.

Eine riesige steinerne Freitreppe, im unteren Teil flankiert von zwei steinernen Löwen und am Ende von der Skulptur des Gottes Apollo bewacht, kann man wohl als das Wahrzeichen des herrlichen Landgutes Raixa in der Nähe von Bunyola im Tramuntana Gebirge bezeichnen.

Nicht einmal eine Viertelstunde von Palma entfernt, ist diese Finca mit ihren Gärten wohl einer der schönsten Eingänge in den westlichen Gebirgszug der Insel. Seit einigen Jahren dient ein Teil des Gebäudes auch als Besucherzentrum, das über die Sierra de Tramuntana und ihre Gemeinden informiert. Auch die Filmindustrie hat Raixa schon seit langem als Drehort entdeckt. So könnte manchem das Gut aus der Verfilmung des Agatha-Christie-Romans „Das Böse unter der Sonne“ mit Peter Ustinov bekannt sein.

Raixa hat eine lange Geschichte. Schon unter den Mauren ein Landgut, kam die Finca nach der Rückeroberung durch Jaume I. in den Besitz der Fürsten von Ampurien und gehörte ab dem 17. Jahrhundert der Familie Despuig. Einem Sprössling dieser Familie, Kardinal Antoní Despuig, der lange Jahre in Italien gelebt hatte, und dessen Bruder Joan ist das italienische Aussehen des Anwesens zu verdanken. So der Apollo-Garten und die Treppe oder die Loggia mit ihren Gartenanlagen.

Zur Bewässerung der üppigen Gärten diente ein mehr als 80 Meter langes Wasserbecken, das sich wie ein künstlicher See in das schöne Anwesen einfügt. Gut 250 Jahre war Raixa im Besitz der Familie Despuig, ehe im Jahr 1910 Graf Ramón Despuig i Fortuny, dessen Wappenschild am kunstvollen Eingangstor prangt, sein Landgut an den Geschäftsmann Antoní Jaume verkaufte. Er war es dem Raixa das Puppenhaus in der Größe eines Wohnhauses, das er für seine Tochter errichten ließ, verdankte.

Neben der Kapelle, der alten Ölmühle der Familie Despuig und verschiedenen Pavillons sind es aber besonders die romantischen Gärten, die es den Besuchern antun: vom Gemüsegarten über den Garten „dels Tarangers“ zur Anlage „La Galería“ mit ihren Brunnen oder dem Garten „d'Entrada“, der über einen kleinen Teich verfügt.

Das Anwesen und das Besucher- und Interpretationscenter kann von Dienstag bis Samstag ganzjährig kostenfrei besucht werden, sowohl mit als auch ohne Führung.

Das Paradies in Al Andalus: Die Gärten der Alhambra und des Generalife

„Das Paradies liegt in Al Andalus“. Das schrieb der maurische Poet Ibn Chafadscha schon im 11. Jahrhundert. Und wer heute durch die Gartenanlagen der Alhambra und des Generalife in Granada schlendert, wird dem sicher ohne langes Nachdenken beipflichten. Für die aus den trockenen, sandigen Gegenden Nordafrikas kommenden Mauren waren Gärten Ebenbilder des Paradieses, und Wasser, das diese Schönheiten schuf, ein Geschenk des Himmels.

Wasser ist das beherrschende Element in den Gartenalagen des „Djanat al-Arif“ – Generalife, dem „Garten des Erhabenen“ oder „Vornehmsten aller Gärten“. Auf einem Rundgang durch diese wunderschönen Gartenanlagen, die den ehemaligen Sommerpalast der Könige Granadas umgeben, wird man überall vom Wasser begleitet: Wasserspeier, Springbrunnen, Wasserbecken, Treppen, efeu- und moosumwucherte Mauern, alles wird von Wasser umspielt. Hier genauso wie in den, an die Alhambra angrenzenden Jardines del Partal hört man den Klang von fließendem, plätscherndem Wasser und riecht den Duft von Rosen, Nelken, Hyazinthen, überragt von Zypressen, Lorbeerbäumen und Myrten.

Die Lage des einstigen Sommerpalastes oberhalb der Alhambra an den Hängen des Cerro del Sol erlaubt einen weiten Blick auf das Darrotal und den Albaicín, die Altstadt Granadas. Hecken aus bogenförmigen Zypressen, Rosenbeete in allen Farben und ein von Fontänen gespeister Wasserkanal führen auf den Palast zu, in dem sich die einstigen Herrscher Granadas zur Erholung zurückzogen.

In den Gärten herrscht trotz der vielen Besucher Ruhe. Man selbst wird still zwischen den mächtigen Kastanien, Platanen, Pappeln, Zypressen, Linden, Lorbeerbäumen, Palmen und Pinien und will nur dem Wasser lauschen, das in Kaskaden über die moosbewachsenen Felsen und zwischen den Myrtenhecken und Buchsbäumen dahinfließt.

Der Sommerpalast wurde Mitte des 13. Jahrhunderts erbaut und im 14. Jahrhundert vom Herrscher Abu l-Walid Isma'il neu ausgeschmückt. Später wurden auch von den christlichen Königen zahlreiche Umbauten vorgenommen. Heute gehören die Gartenanlagen der Alhambra und des Generalife wohl zu den schönsten und meistbesuchten Gärten Spaniens.

Die königlichen Gärten von Aranjuez

Aus der Zeit von Al Andalus führt unsere Reise in die Nähe der heutigen Hauptstadt Spaniens, Madrid, nach Aranjuez und in die Zeit der Herrschaft Philipp II im 16. Jahrhundert und die Epoche der Aufklärung im 18. Jahrhundert. Philipp II, der Madrid zu seiner Hauptstadt erkoren hatte, erklärte Aranjuez zum „Sitio Real“, Königlichen Ort. Für Philipp V. (17./18. Jh.) und Carlos III im 18. Jahrhundert wurde Aranjuez zum Sitz des Königshofes.

Sie verliehen der Stadt, die auch das spanische Versailles genannt wird, mit ihren Palästen, Parks und Gärten das heutige Gesicht. Das Konzept der Aufklärung spiegelt sich hier im Gleichklang zwischen Mensch und Natur, der Gestaltung der Gärten, der parkähnlichen Waldlandschaft und der Palastarchitektur. Seit 2001 ist Aranjuez Weltkulturlandschaft der UNESCO.

Zu den weitläufigen Garten- und Parkanlagen der Stadt gehören der im englischen Stil angelegte Jardín del Parterre mit seinen beeindruckenden Brunnenanlagen. Ihnen schließt sich der Jardín de la Isla an der Flussmündung von Río Jarama in den Tajo an. Einen klaren französischen Stil zeigt der Jardín del Principe mit seinen Pavillons, dem romantischen See und dem kleinen Palast, der Casa del Labrador, der an die Pavillons in Versailles erinnert und heute eine sehenswerte Gemäldesammlung beherbergt.

Weitere Anlagen sind der Jardin de la Reina, der Garten der Königin und der Garten des Königs, Jardin del Rey sowie der Jardin Isabel II. Alleen und Wege führen entlang prächtiger Bäume, wie Ulmen, Zedern, Linden, Erlen oder Eschen. Viele der Baumriesen sind weit über 200 Jahre alt. Zu ihnen gesellen sich Baumarten aus Asien, der Karibik, Süd- und Nordamerika. Dazwischen grüßen die Statuen der Gottheiten aus der Mythologie, kunstvoll geschmiedete Eingangstore und Gitter sowie herrliche Brunnen.

Aranjuez ist berühmt für seine Bäume und deren Erhaltung. So gibt es momentan ein gemeinsames mit der Vereinigung der Historischen Gärten geführtes Projekt mit 3.000 angepflanzten und gegen die Ulmenkrankheit Graphiose geimpfte Ulmen, die später in andere europäische Gartenanlagen verpflanzt werden sollen.

Mit der königlichen Stadt Aranjuez, wo der Gleichklang zwischen menschlicher Kreation und Natur ganz besonders spürbar ist, endet unsere Reise durch die Gärten Spaniens, Teil der europäischen Route der Historischen Gärten. Eines der Hauptanliegen der Vereinigung ist, dass der Besuch der Gärten bedeutet, das perfekte Zusammenspiel von Natur, Kultur, Geschichte und Freizeit an diesen einzigartigen Orten unter freiem Himmel zu genießen.